Der Handstand ist für viele Yogis die Königsklasse der Asanas. Er strahlt Kraft, Eleganz und eine spielerische Leichtigkeit aus. Doch der Weg dorthin erscheint oft lang und steinig, gesäumt von Selbstzweifeln und der Angst vor dem Fallen. Die gute Nachricht: Der Handstand, im Sanskrit Adho Mukha Vrksasana genannt, ist keine Frage von Magie, sondern das Ergebnis von gezieltem Training, Technik und Geduld.
Dieser Leitfaden nimmt dich an die Hand – oder besser gesagt: Er zeigt dir, wie du sicher auf deinen eigenen Händen stehst. Wir bauen die Übung von Grund auf, stärken die nötige Muskulatur und arbeiten an der mentalen Einstellung, die du für diesen Meilenstein deiner Yogapraxis brauchst.
* Voraussetzungen: Du benötigst vor allem Kraft in Schultern, Armen und der Rumpfmuskulatur sowie ein gutes Balancegefühl.
* Technik vor Kraft: Die richtige Ausrichtung und Technik sind wichtiger als pure Muskelkraft, um die Balance zu finden.
* Der Schlüssel: Regelmäßigkeit und Geduld sind entscheidend. Der Handstand ist eine Reise, die Zeit braucht.
* Sicherheit zuerst: Beginne immer mit Vorübungen und nutze eine Wand als Unterstützung, um Stürze zu vermeiden.
Was ist Adho Mukha Vrksasana?
Der Name aus dem Sanskrit setzt sich zusammen aus *’Adho Mukha’* (nach unten schauendes Gesicht) und *’Vrksa’* (Baum). Der Handstand ist also wörtlich übersetzt der „nach unten schauende Baum“. Als eine der anspruchsvollsten Yoga Umkehrhaltungen stellt er die Welt buchstäblich auf den Kopf und fordert uns auf, eine neue Perspektive einzunehmen.
Anders als beim Yoga Kopfstand (Shirshasana) lastet hier das gesamte Körpergewicht ausschließlich auf den Händen und Handgelenken. Das verlangt eine immense Stabilität im gesamten Schultergürtel und eine konstant aktive Körpermitte.
Die mentalen und physischen Vorteile des Handstands
Warum sollte man sich dieser Herausforderung überhaupt stellen? Die Belohnungen sind vielfältig und gehen weit über das beeindruckende Foto hinaus. Das regelmäßige Üben des Handstands transformiert Körper und Geist.
- Stärkung des Oberkörpers: Deine Arme, Schultern, der obere Rücken und die Brustmuskulatur werden intensiv gekräftigt.
- Aktivierung der Körpermitte: Um im Handstand stabil zu bleiben, muss deine gesamte Rumpfmuskulatur ununterbrochen arbeiten.
- Verbesserung der Balance: Dein Gleichgewichtssinn wird auf ein neues Level gehoben. Du lernst, kleinste Verlagerungen deines Schwerpunkts sofort auszugleichen.
- Förderung der Knochengesundheit: Als gewichttragende Übung kann der Handstand die Knochendichte in Handgelenken, Armen und Schultern unterstützen.
- Stärkung des Selbstvertrauens: Die Überwindung der Angst und das Erreichen eines solch anspruchsvollen Ziels gibt deinem Selbstbewusstsein einen enormen Schub.
- Verbesserte Körperwahrnehmung: Propriozeptives Training, wie es beim Halten der Balance stattfindet, schult die Wahrnehmung deines Körpers im Raum, wie Studien im Ärzteblatt bestätigen.

Handstand lernen: Die richtige Vorbereitung ist alles
Springe niemals unvorbereitet in den Handstand. Ein solides Fundament ist der sicherste Weg nach oben. Das bedeutet, zuerst die notwendige Kraft aufzubauen und die richtige Technik zu verstehen.
Kraft aufbauen: Essenzielle Vorübungen
Integriere diese Übungen regelmäßig in deine Praxis, um gezielt die für den Handstand benötigte Muskulatur zu stärken:
- Herabschauender Hund (Adho Mukha Svanasana): Halte die Pose für eine Minute oder länger. Sie bereitet deine Schultern und Handgelenke auf die Belastung vor.
- Planke (Phalakasana): Die Planke ist die perfekte Übung für eine starke Körpermitte. Halte sie so lange wie möglich mit voller Körperspannung.
- L-förmiger Handstand an der Wand: Gehe mit den Füßen eine Wand hoch, bis dein Körper einen 90-Grad-Winkel bildet. Das ist die sicherste Methode, um Kraft im Oberkörper aufzubauen.
- Handstand-Kicks gegen die Wand: Übe aus dem stehenden Spagat, dich sanft mit einem Bein abzustoßen, um mit den Fersen die Wand zu berühren. So bekommst du ein Gefühl für den Aufschwung.
Die richtige Hand- und Armposition
Deine Hände sind dein Fundament. Platziere sie schulterbreit auf der Matte. Spreize die Finger weit und drücke alle zehn Fingerkuppen und die Handballen fest in den Boden. Stelle dir vor, du greifst mit „Spinnenhänden“ in die Matte. Deine Arme sollten durchgestreckt, aber nicht überstreckt sein. Aktiviere die Außenrotation deiner Oberarme, um Stabilität im Schultergelenk zu schaffen.
Schritt-für-Schritt-Anleitung zum freien Yoga Handstand
Wenn du dich in den Vorübungen sicher fühlst, kannst du die nächsten Schritte wagen. Nutze zu Beginn immer eine Wand, um die Angst vor dem Fallen zu minimieren.
Häufige Fehler und wie du sie vermeidest
Beobachte dich selbst oder lass dich filmen, um typische Fehler zu erkennen und zu korrigieren. Ähnlich wie beim anspruchsvollen Unterarmstand ist die richtige Ausrichtung entscheidend.
- Der „Bananenrücken“: Ein starkes Hohlkreuz entsteht durch mangelnde Rumpfspannung. Lösung: Ziehe den Bauchnabel aktiv nach innen und kippe dein Becken leicht nach hinten.
- Eingesunkene Schultern: Wenn du die Kraft im Schultergürtel verlierst, sinkst du zwischen den Armen ein. Lösung: Drücke den Boden kraftvoll von dir weg, als wolltest du ihn wegstoßen.
- Falsche Blickrichtung: Der Blick nach vorne zur Wand erzeugt ein Hohlkreuz. Lösung: Halte den Kopf in Verlängerung der Wirbelsäule und richte den Blick auf einen Punkt zwischen deinen Händen.
- Zu viel Schwung: Unkontrolliertes Springen führt meist zum Sturz. Lösung: Nutze Kraft statt Schwung. Der Aufstieg sollte so kontrolliert wie möglich sein.
Fazit: Der Handstand ist eine Reise, kein Ziel
Den Handstand zu lernen, ist ein Prozess, der dich lehrt, geduldig und nachsichtig mit dir selbst zu sein. Feiere jeden kleinen Fortschritt: das erste Mal, dass du eine Sekunde frei balancierst, den ersten kontrollierten Aufschwung, das wachsende Gefühl von Stärke. Der wahre Gewinn liegt nicht in der perfekten Pose, sondern in der Entwicklung und dem Selbstvertrauen, das du auf dem Weg dorthin gewinnst.
Häufig gestellte Fragen
Wie lange dauert es, einen Handstand zu lernen?
Das ist sehr individuell und hängt von deiner körperlichen Verfassung und der Häufigkeit des Übens ab. Es kann einige Monate bis hin zu über einem Jahr dauern. Konzentriere dich auf den Prozess, nicht auf die Zeit.
Ist der Handstand gefährlich für die Handgelenke?
Bei unzureichender Vorbereitung oder falscher Technik können die Handgelenke überlastet werden. Ein gründliches Aufwärmen und der schrittweise Kraftaufbau sind daher unerlässlich, um Verletzungen vorzubeugen.
Brauche ich einen Lehrer, um den Handstand zu lernen?
Ein erfahrener Lehrer kann dir wertvolles Feedback zu deiner Ausrichtung geben und dir helfen, Fehler zu korrigieren. Es ist sehr empfehlenswert, besonders am Anfang, unter Anleitung zu üben, um eine sichere Praxis zu gewährleisten.


